Überragender Sebastian Kienast holt Doppelgold bei Ordonnanz DM

In der niedersächsischen Landeshauptstadt fanden am letzten Wochenende im September die Deutschen Meisterschaften im Ordonnanzgewehrschießen statt. Neben den Großkaliber Gewehrschützen kamen aber auch viele KK Unterhebelrepetierschützen nach Hannover um ihre Meister zu finden.  Nach den großartigen Erfolgen des vergangenen Jahres durch Sebastian Kienast und Benedikt Crncic waren die Erwartungen hoch. Der DSB hatte die Limitzahlen für diese Meisterschaften in beiden Wettbewerben und Klassen nochmals gesenkt. Und so erhielten 240 Ordonnanzschützen eine Startzulassung. Allerdings nahmen 29 die Einladung nicht an. Wie schon im letzten Jahr konnten die Jüterboger, die zahlenmäßig stärkster Verein waren auf 10 Aktive zurückgreifen und die Quote des letzten Jahres noch einmal steigern. Diese hatten sich für 18 Einzelstarts qualifiziert. Auch in diesem Jahr war es möglich 5 Mannschaften aufzustellen. Die Flämingstädter waren die einzigen Vertreter des BSB in diesem Jahr. Fast alle Jüterboger reisten schon einen Tag vor den Wettkämpfen an, um sich mit den Standverhältnissen vertraut zu machen. Einige nutzten die Möglichkeit, ihre Waffen einzuschießen. Als erstes sind den Schützen wohl die vielen Mücken aufgefallen. Kaum hatte man die Autotür geöffnet, hatte man sie sich schon hineingeholt. Es waren so viele, dass man kaum eine Minute abschalten konnte. Auf allen Ständen, in allen Räumen, fast keiner wurde verschont. Selbst in der Siegerehrungshalle klatschten die Zuschauer nicht nur für ihre Sieger und Platzierten. Auch die Waffenkontrolle konnte man schon hinter sich bringen. Die Kontrolleure nahmen ihre Arbeit wieder sehr genau. Das musste auch Frank Dombrowski erfahren, der mit einem seiner 3 Schweden Mauser keine Zulassung erhielt. Obwohl es beim letzten Mal noch kein Problem gab, wurde nun das Korn beanstandet. Das führte dazu, dass 2 seiner Teamkollegen nun mit seiner persönlichen Diopter Waffe nacheinander antreten mussten und er selbst als letzter an der Reihe war.

Der erste Wettkampftag gehörte den Schützinnen und Schützen mit offener Visierung. Temperaturen um die 25 Grad machte das Schießen angenehm, jedoch war die Luftfeuchtigkeit extrem hoch, so dass viele Schützen nach nur wenigen Schüssen mit lästigem Laufflimmern klarkommen mussten. Die Kampfrichter hatten schon am ersten Tag alle Hände voll zu tun. Ungewöhnlich viele Kreuzschüsse mussten registriert und die Hintergrundscheiben der elektronischen Anlagen ausgewertet werden. In der Herren I Klasse ging Sebastian Kienast als Titelverteidiger an den Start. Beim Liegendschießen landeten schon für ihn rekordverdächtige 9 Schüsse in der Zehn, aber auch einige Siebener und Achten, so dass mit 182 Ringen eine gute Ausgangslage für den folgenden Stehendanschlag geschaffen wurde. Als ihm der 17. Stehendschuss plötzlich in die Vier abdriftete, schreckten seine Mannschaftskollegen kurz auf. Aber alles verlief nach Plan. Mit starken 352 Ringen hatte er klar die Führung übernommen und konnte sich in Ruhe auf den Endkampf am Abend einstellen. Der Vorjahresdritte Benedikt Crncic lieferte wieder einen hervorragenden Wettkampf ab. Dank konstanter Serien in beiden Anschlägen erzielte er mit 340 Ringen Wettkampfbestleistung. Lediglich die zwei Sechser beim Stehendschießen, waren die einzigen Schüsse die ins Weiße flogen. Damit hatte er seine Vorjahresleistung um 6 Ringe gesteigert. Da er eine sehr späte Startzeit hatte, musste er nicht lange warten, um zu erfahren, dass es für ihn wieder zum Endkampf der besten 6 gereicht hatte. Für Christoph Hermann lief es weniger gut. Trotz deutlicher Steigerung zum Vorjahr kam er mit 310 Ringen und Platz 19 nicht annähernd an die guten Leistungen von KM  und LM heran. Schon liegend gingen 4 Schüsse ins Weiße und beim sonst sicheren Stehendschießen gab es sogar beim vorletzten Schuss eine Fahrkarte. Da war schnell klar, dass es diesmal nicht ins Vorderfeld reichen würde.

Am frühen Abend wurde dann der Endkampf durchgeführt. Da es schon dämmerte wurden die Scheiben beleuchtet. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der die Endkampfteilnehmer innerhalb der 15 Minuten Vorbereitungszeit nichts weiter machen konnten, außer still zu stehen und dutzende Male die Waffe in den Trockenanschlag zu bringen, wurde es ernst. Kienast, der nach dem Vorkampf bereits 9 Ringe Vorsprung auf Mario Zeller vom württembergischen Neckartenzlingen hatte, konnte all seine Routine ausspielen. Schließlich war es für ihn bereits die 5. Endkampfteilnahme bei einer DM. Crncic lag nur 3 Ringe von Silber entfernt. Während der Titelverteidiger nach der ersten 5 Schuss Serie seinen Vorsprung weiter ausbaute, war für Crncic praktisch schon alles gelaufen. 2 Fahrkarten beim 1. und 5. Schuss waren nicht mehr gutzumachen. Kienast glänzte weiter schoss mit 85 Ringen die stärkste Endkampfserie und wurde wieder souverän Deutscher Meister. Mit 437 (352+85) lag er wie 2022 deutlich vor Christoph Lindlbauer 416 (339+77) von der bayerischen FSG Moosburg, der sich noch von Platz 4 vorgekämpft hatte und nach Stechschuss (7:6) mit Zeller 416 (343+73) Silber gewann. Mit solch großem Vorsprung hatte bislang kein Schütze bei einer Ordonnanzgewehr DM einen Titel errungen. Für Crncic blieb mit 388 (340+48) diesmal nur der 6. Platz.

In der mit 81 Startern stärker besetzten Herren II Klasse überzeugte Jüterbogs Neuzugang Heiko Schmidt. Mit tollen 346 Ringen sprang nach dem Vorkampf sogar ein unerwarteter Endkampfplatz heraus. Vor allem das beeindruckende Stehendschießen verblüffte seine Mannschaftskollegen. So traf er in der letzten Serie gleich 5 Mal die Zehn und erreichte neben einem weiteren Schützen mit 89 Ringen die stärkste Stehendserie der gesamten Konkurrenz. Pech in der Startaufstellung hatte Manfred Reichel. Seine beiden DM Starts vielen jeweils auf die jeweils letzten Durchgänge. Nach eher bescheidenen 168 Liegendringen verirrten sich stehend noch 2 Vierer auf seine Scheibe, so dass er mit 316 Ringen und Platz 45  nach 326 in 2022 doch ziemlich enttäuscht war. Bei seiner zweiten DM Teilnahme kam Markus Krawez, der an beiden Tagen jeweils schon um 8 Uhr antreten musste, auf Rang 55. Mit 303 Ringen verfehlte er die Vorjahresmarke nur um einen Ring. Für Sportleiter Frank Dombrowski verlief der erste Tag desaströs. Obwohl er neben Kienast die höchsten Ergebnisse bei KM, LM und Bürger-Meister-Pokal aufwies, ging hier wieder fast alles schief. Als das Liegendschießen schon mit zwei Sechser begann und im Stehendanschlag eine Null dazu kam, war an ein hohes Mannschaftsresultat nicht mehr zu denken.  Mit nur 302 Ringen reichte es gerade mal zum 57. Platz. Sven Bakus (60. Platz) war mit seinen 301 Ringen recht zufrieden. Nur während der ersten Serie, bei dem alle 10 Schüsse bei gutem Trefferbild deutlich zu tief lagen, hätte ein konsequentes verstellen der Visierung sicher zu mehr als 77 Ringen geführt. Zehn Plätze hinter ihm, erreichte Jörg Flemming, der seit seinem DM Debüt 2003 bereits 25 DM Starts beim Ordonnanzgewehrschießen aufweist, 290 Ringe und lag etwa auf LM Niveau. Manfred Langner steigerte sich leicht auf 282 Ringe und machte zum letzten Jahr fast 10 Plätze gut. Für Schmidt war es dann am Abend sein erster DM Endkampf. Mit einer 73er Serie bestätigte er seinen ausgezeichneten 5. Platz. Der Coburger Helmut Stubenrauch hatte im Endkampf die nur viertbeste Serie geschossen, profitierte aber von seinen starken 365 Ringen aus dem Vorkampf und gewann den Titel mit 440 vor Thomas Banner 437 vom SV Feuer Frei Sötern und Bernd Krahforst 423 von der rheinischen St. Seb. Sbr Villip.

Villip holte sich mit 1009 Ringen die Teamwertung vor Neckartenzlingen 999 und Schmölln 996. Für die 1. Jüterboger Mannschaft hatte es mit schwachen 970 doch noch zum 6. Platz gereicht und man erhielt die begehrte Mannschaftsurkunde. Die 2. Mannschaft erreichte mit 946 Ringen Platz 11, das 3. Team holte im Feld der 19 Mannschaften mit 923 den 14. Platz. Bei optimaler Mannschaftszusammenstellung hätte es diesmal locker zum Titel gereicht. Doch bei nur sehr wenigen Wettkämpfen im Jahr war das Leistungsvermögen der DM Starter für den Sportleiter schwer einzuschätzen.

Der 2. Wettkampftag verlief für die meisten Schützen im Team noch erfolgreicher. Das Schießen mit Diopter Visierung brachte vielen höhere Resultate als am Vortag. Auch das Flimmern war nicht mehr so stark. Nach seinem Erfolg konnte Sebastian Kienast eigentlich ohne Druck an den Start gehen. Doch nach seinem 5. Platz im letzten Jahr, wollte er natürlich auch hier erfolgreich sein. Schon beim Liegendschießen hatte er nach 92 und 94 Ringen das zweithöchste Ergebnis in seiner Klasse erzielt. Was dann folgte, konnten seine Kameraden an den Bildschirmen kaum glauben. Bereits nach 6 Schuss stehend standen 57 Ringe zu Buche. Als er die erste Serie mit 93 Ringen beendete, ahnte der Sportleiter, dass hier ein historischer Augenblick in der Luft lag. Er entschloss sich, die letzten 10 Schüsse des 38-Jährigen zu filmen. Hochkonzentriert auf jeden Schuss setzte er bei den letzten Schüssen öfters ab. Weitere 92 Ringe folgten. Mit unfassbaren 371 Ringen hatte er seinen Wettkampf beendet und sich stehend nur 2 Achter geleistet. Sofort ereilten ihm Glückwünsche der eigenen Kollegen aber auch viele Konkurrenten gratulierten zu dieser außergewöhnlichen Leistung. Einige gratulierten schon zum Sieg, aber soweit war es noch nicht. Christoph Hermann steigerte sich zum 1. Tag um einen Ring auf 311, war aber gar nicht zufrieden. Nach 6 Treffern im Weißen und mageren 148 Liegendringen, schoss er stehend stark und belegte wieder den 19. Platz. Für Kienast hieß es nun wieder warten auf den Endkampf und die Nervosität möglichst gering zu halten.

Seine wartenden Vereinskollegen starteten in der Herren II Klasse (ab 41 Jahren). Hier hatte Dombrowski im Vorfeld die Mannschaften verändert, lief es doch in der Vergangenheit bei den DM nicht optimal und man war immer nur knapp an einer Medaille vorbei geschrammt. Doch diese Entscheidung sollte er kurze Zeit später wieder bereuen. Ohne große Erwartungen und frei vom Mannschaftsdruck des 1. Teams klappte fast alles. Nach 2 unglücklichen 8,9er zu Beginn dachte nicht nur er „Das fängt ja schon wieder gut an“. Doch mit 90 und 93 Liegendringen war sein Ziel den 9er Schnitt zu schaffen erreicht. Stehend lief es so gut wie nie zuvor. Hatte er sich doch bei Kienast einiges abgeschaut und genauso umgesetzt. Nach einer tollen 87 lag er immer noch auf Kurs Schnitt 9, schaute zu keinem Zeitpunkt auf das Gesamtergebnis, betrachtete nur die einzelnen Schüsse. Nach weiteren 79 Ringen hatte er mit 349 seine persönliche Wettkampfbestleistung von der LM um 2 Ringe übertroffen und mit Platz 12 seine beste DM Platzierung erzielt. Manfred Reichel haderte nach seinen 328 Ringen noch lange an seinem Stehendanschlag, bei dem er sich kurz vor Schluss noch eine Fünf und Sechs einfing. Mit Platz 36 landete er im vorderen Mittelfeld. Jörg Flemming blieb trotz deutlicher Verbesserung zum Schießen mit offener Visierung etwas unter seinen Erwartungen. Zwei Dreier minderten sein Ergebnis auf 311. Nach 334 im vergangenen Jahr erreichte er nun Platz 54. Wie schon am ersten Tag kam Markus Krawez durch ein gleichmäßiges Schießen auf 303 Ringe (62.). Manfred Langner 283 legte einen Ring zu und belegte Platz 73.

Nach mehr als 5 Stunden des Wartens wurde dann zum Endkampf aufgerufen. Die Frage war, wie groß der Abstand zum zweitplatzierten Schützen Markus Lankenau aus Köln sein würde. Unglaubliche 18 Ringe. Und auch hier ließ Kienast nichts anbrennen. Nach der 1. Endkampfserie waren schon wieder 45 Ringe erzielt. Durch eine beeindruckende 88er Serie, hatte er sich seinen 2. Titel erkämpft. Mit einem Traumergebnis von 459 (371+88) siegte er vor Andreas Stössel 436 (352+84) und Lankenau 432 (353+79). Die Titelverteidigerin Susanne Linke aus Schmölln musste sich diesmal mit Platz 6 zufrieden geben.

Obwohl der Deutsche Schützenbund derzeit wohl keine Rekordlisten beim Ordonnanzgewehrschießen führt, sind sowohl die Vorkampfleistung als auch das Finale als Deutsche Bestleistung zu werten. So eine Überlegenheit eines Schützen in beiden Wettbewerben hatte es noch nicht gegeben. Für Kienast, der inzwischen 22 Mal mit dem Ordonnanzgewehr bei Deutschen Meisterschaften antrat, war es der 3. DM Titel in 2 Jahren.

Im Endkampf der Herren II siegte Bernd Krahforst mit 440 (360+80) nach Stechschuss (9:7) mit dem Schmöllner Thomas Beier 440 (357+83).

In einem hochklassigen Mannschaftskampf siegten die Schmöllner mit 1055 vor Villip 1045 und Bartenbach 1043. Die Flämingstädter hatten wieder kein Glück in der Mannschaftszusammensetzung. Silber wäre möglich gewesen. So erreichte Jüterbog I 1010 Platz 8 und Jüterbog II 982 Platz 10.

Frank Dombrowski

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